Freitag, 7. März 2014

Orangen statt Alaaf.

Dass ich mich hier an mein Versprechen halte und es nicht wieder Ewigkeiten dauert, bis ich mich wieder melde, erstaunt mich sogar selbst ein bisschen - also hoffen wir mal, dass das so bleibt!
Ich bin ehrlich gesagt kein allzu großer Karnevals-Fan, und das, obwohl ich ja relativ nahe an Köln wohne. Aber jedes Jahr kurz nach meinem Geburtstag geht dieser riesige Stress los, in der Stadt sind morgens schon alle betrunken, und oh Gott, Kostüme. Deshalb war ich nicht ganz sicher, ob ich froh sein sollte, mir die Jecken (zum ersten Mal) für ein Jahr zu ersparen oder es doch irgendwie vermisse. Die Frage hat sich mir immer noch nicht beantwortet.
Der erste italienische Karneval, den ich mitbekommen habe, war natürlich der in Venedig, wo alles eher klassisch gehalten war. Dazu muss man aber sagen, dass wir nicht am Höhepunkt da waren und somit keinen Umzug durch die Stadt gesehen haben, sondern nur die berühmten Masken und die Leute, die aus allen Teilen der Welt anreisen, um in pompösen Kleidern stumm durch die Straßen zu spazieren. Das komplette Gegenteil hat uns dann Dienstag in Ivrea erwartet, eine Stadt, die in einem wirklich schönen Gebiet liegt. Davon hatten wir aber nicht viel. Morgens gabs eine kurze Einführung mit geschichtlichem Hintergrund über die wohl seltsamste Tradition, die ich für Karneval kenne: man bewirft sich mit Orangen. Nein, das ist kein Witz - ganz und gar nicht, denn Krankenwagen waren zahlreich anwesend und ich habe weit mehr als nur ein blaues Auge gesehen. 


Für die, die hier jetzt gleich „Essensverschwendung!“ schreien wollen, keine Sorge - die Orangen waren nie zum Essen bestimmt und werden danach eingesammelt und weiterverarbeitet. Vormittags war noch alles ruhig, das einzige, was man schon merkte, war der Geruch nach Orangen, den man überall ein wenig wahrnehmen konnte, und natürlich die zahllosen Kisten voll mit Früchten. Später ging es dann erst richtig los. Es gibt verschiedene Teams, die die Schlösser auf den umliegenden Hügeln repräsentieren (wenn ich das richtig verstanden habe), und die investieren dann Geld in einen recht großen, von Pferden gezogenen Wagen. Darin sind dann um die 8 Personen, die vom Wagen aus mit Orangen werfen, und auf den größeren Plätzen bekämpft man sich zu Fuß. Für die, die nicht von diversen Zitrusfrüchten getroffen werden wollen, gibt es große Netze, hinter denen man zuschauen kann, und wenn man einen roten Hut trägt, signalisiert das, dass man nur Zuschauer ist. Ich persönlich habe ein bisschen auf Feigling gemacht und bin auch nur dabei geblieben, aus einiger Entfernung zuzuschauen. Aber eines muss man den Italienern lassen, selbst bei so einem erstmal lächerlich erscheinenden Brauch schaffen sie es, eine unglaubliche Stimmung zu schaffen. Hat sich mal jemand wirklich verletzt, war auch der nach wenigen Minuten wieder am Lachen. Alles in allem also definitiv ein außergewöhnliches Karnevalsfest - ob ich das jedes Jahr so haben wollen würde, bezweifle ich aber eher.
Da sich das mit Worten und Fotos nicht ganz so gut zusammenfassen lässt, habt ihr hier mal ein Video vom letzten Jahr:

Ich habe mich übrigens währenddessen endgültig auf Italienisch umgestellt - mein „Reisetagebuch“ führe ich seit einiger Zeit auf Italienisch, Filme und Serien gucke ich wenn möglich auch nicht mehr auf Deutsch oder Englisch, und in den Büchern hier stehen am Rande jetzt ab und zu Übersetzungen zu einigen Wörtern. Mir fällt es aber manchmal noch ein wenig schwer, die Sprache ernst zu nehmen, zum Beispiel, wenn der Vorleser des Harry Potter-Hörbuchs den Namen des Protagonisten wie „Ärrrrri Pota“ klingen lässt.

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