Mittwoch, 30. Oktober 2013

Ein bisschen wie Schlafwandeln.

So ist es, wie sich alles gerade für mich anfühlt.
In letzter Zeit ist nichts wirklich relevantes passiert, außer, dass mein Italienisch wirklich jeden Tag besser wird und ich mich schon - zwar mit unglaublich vielen Fehlern - mit Anderen unterhalten kann, ohne dauernd auf Englisch ausweichen zu müssen. Aber ich wollte mich trotzdem nochmal melden und ein bisschen erzählen, wie sich alles emotional so auf mich ausgewirkt hat.

Irgendwie habe ich es immer noch nicht realisiert. Das scheint eine Angewohnheit zu sein und es ist genau dasselbe mit Weihnachten oder meinem Geburtstag: ich denke nicht wirklich daran, bis es dann da ist. Aber jetzt bin ich hier schon seit fast zwei Monaten, und immer noch nehme ich alles nur wie durch Watte wahr.
Auch vermisse ich quasi nichts. Ich hatte nie ein Problem mit Heimweh, aber ich hätte schon gedacht, dass ich Momente haben würde, in denen ich wirklich gerne wieder in meinem deutschen Zuhause wäre. Meine deutsche Schule wieder besuchen möchte. Einfach so leben wie noch vor nicht allzu vielen Wochen. Aber, wieso auch immer, ist mir das ziemlich gleichgültig. (An dieser Stelle Entschuldigung an alle, die sich jetzt irgendwie verletzt fühlen. So ist das absolut nicht gemeint.)
Vielleicht liegt es daran, dass ich hier auch noch nicht wirklich angekommen bin. Wie euch der Titel schon verrät: es ist wie Schlafwandeln. Ich stehe zwischen 3 Sprachen, zwischen 2 Ländern, und das überfordert mich noch ein bisschen. Ob das „normal“ ist, weiß ich nicht, will es auch gar nicht wissen. Aber ich hoffe, das ändert sich bald.
Auch strengt mich so vieles noch zehnmal so viel an wie in Deutschland. Am besten lernt man eine Sprache durch Zuhören, und das mache ich hier ja viele Stunden am Tag. Aber das ist nicht wie Musik hören - hier muss man wirklich aufpassen und aktiv versuchen, alles zu verstehen. Besonders schwer fällt mir das in der Schule. Frontalunterricht wird in Italien eben groß geschrieben, und wenn man 120 Minuten vom Lehrer nur aus einem jahrhundertealten Roman vorgelesen bekommt, dessen Wortwahl dementsprechend antik ist, ist man versucht, sich irgendetwas anderem zuzuwenden, und wenn es nur die eigenen Gedanken sind. Aber das geht nicht.
Bisher bin ich mit meinen Italienischkenntnissen zwar relativ weit vorn dabei, wenn man das mit denen der anderen vergleicht, aber ich will trotzdem momentan nichts mehr, als weiter lernen. Viel lernen. Schließlich ist es auch zum großen Teil die Sprache, über die man wirkliche Freundschaften schließt. Langsam aber sicher vergeht meinen Klassenkameraden die Lust am Übersetzen, und vor allem wenn ich in größeren Gruppen unterwegs bin, bin ich mit Verstehen und Sprechen ganz auf mich alleine gestellt.

Aber das ist alles nichts, was sich nicht in den Griff bekommen ließe. Falls hier andere (ehemalige) Austauschschüler mitlesen, würde ich mich über ein paar Worte zu euren Erfahrungen dazu freuen - ob die ähnlich sind oder vielleicht auch komplett verschieden.

Damit heißt es dann auch schon wieder: bis zum nächsten Post!
Saluti e biaci,

Julie

Sonntag, 20. Oktober 2013

Non sono morta. Oder so.

Hi, na.
Ja, ich lebe noch. 
So eine lange Pause zwischen meinen Posts war zwar eigentlich wirklich nicht geplant, aber jetzt kann ich leider nichts mehr dran ändern, außer euch genau jetzt einen neuen Post zu schreiben.
Ich war mittlerweile schon in Turin, aber wir waren leider ein bisschen in Zeitdruck und wollten eigentlich auch nur shoppen gehen, deshalb kommt darüber irgendwann nochmal ein ausführlicherer Post.
Der Anlass für diesen hier ist mein verlängertes Wochenende - von Donnerstag bis Sonntagnachmittag hat das erste AFS-Camp stattgefunden. Das nächste ist dann erst wieder im Juli.
Alle Austauschschüler aus dem Piemont, insgesamt etwa 50 aus allen möglichen Ländern, haben sich irgendwo in den Bergen eingefunden (an den Namen erinnere ich mich nicht mehr, und in dem kleinen Ort gab es wirklich absolut nichts) und dort 4 Tage quasi alles zerlegt. Diesmal lag der Fokus wirklich weniger auf den Aktivitäten in unseren kleinen Gruppen - wir haben uns über erste Erfahrungen im Land von Pasta und Pizza ausgetauscht und auch über Probleme gesprochen. Ein großes Thema waren wieder Vorurteile, da wir ihnen diesmal ja 6 Wochen live begegnen. Vorurteile von uns gegenüber Italienern, von Italienern gegenüber unseren eigenen Ländern. Deren Meinung nach werden in Island Pinguine gekocht, ich wurde gefragt, ob die Mauer bei uns noch steht und unser Grundnahrungsmittel ist Bier mit Brezeln. Für mich also nicht wirklich überraschende Sachen, aber ich habe durch Reden mit den Anderen viel über andere Länder herausgefunden. Mir wird immer wieder bewusst, wie unglaublich toll und einmalig diese Chance für mich ist. So viele verschiedene Kulturen vereint an einem Ort und man kann aus erster Hand so viel erfahren.









Die besten Betreuer seit immer und ewig.


Das hier sind nicht alle, sondern nur meine kleine Gruppe in der wir die Tage verbracht haben.




Meine neue Lieblingsdänin.


Die meiste Zeit haben wir aber nur irgendwo mit Sitzen und Reden verbracht. Ich habe jede Nacht nur um die 3 Stunden geschlafen und darf morgen früh schon wieder um 6 Uhr raus, obwohl ich am liebsten tagelang einfach im Bett bleiben würde.
Mein Facebook explodiert wieder vor Freundschaftsanfragen und ich habe viel zu viele Fotos und Videos gemacht (von denen ihr hier nur einige seht, weil ich so gut wie immer wie kurz vorm Einschlafen aussehe) - und so viele Freunde von überall her gefunden. Ich habe jetzt schon ein bisschen Angst, wenn wir uns alle das wirklich letzte mal sehen, denn weil man einfach so viel gemeinsam hat, einfach dadurch, dass man diese Erfahrung teilt, wachsen einem alle unglaublich schnell ans Herz. Die Dänen und Belgier zu besuchen ist ja noch machbar, aber eben eine Reise nach Neuseeland oder Lateinamerika zu organisieren und finanzieren gestaltet sich dann doch als etwas schwieriger. Was mir auch immer besser und besser gefällt (falls das überhaupt noch geht) ist AFS an sich. Man fühlt sich als Teil einer riesigen Familie, weil einen alle sofort als Freund behandeln. Der Gesprächsstoff geht hier auch nie aus, wenn so viele Kulturen aufeinandertreffen: unsere Freiwilligen haben alle mindestens einmal Zeit im Ausland verbracht, und wenn jemand ein Jahr in Südafrika und Japan war, kann man da einfach ewig drüber reden. Zu denen dann generell auch noch ein Wort - sie sind super. Man lernt sie eher sofort als Freunde kennen, weil sie auch noch nicht so viel älter sind als wir (Mitte 20) und alle haben sowohl Humor als auch die Fähigkeit bewiesen, einem ernsthaft helfen zu können, wenn einen etwas bedrückt.

Im Piemont sind außer mir noch zwei andere Deutsche - und ich habe mich unglaublich darauf gefreut, mich wieder in meiner Muttersprache zu unterhalten. Als ich das dann endlich konnte, war das Ganze aber wirklich komisch, und nicht nur für mich. Obwohl ich erst vergleichsweise kurz hier bin, fühlen sich deutsche Wörter falsch in meinem Mund an: ich vergesse Worte und antworte automatisch in Englisch oder Italienisch, ohne darüber nachzudenken. 


Aspirin wird wieder zu meinem besten Freund - mein Kopf scheint wirklich nicht darauf ausgelegt zu sein, tagelang immer schnell zwischen 3 Sprachen zu wechseln. Aber mein Italienisch wird merklich immer besser. Ich bin mittlerweile schon in der Lage, zusammenhängende Texte zu schreiben. Das konnte ich in Französisch nicht mal nach 3 Jahren Unterricht. Da ich in der Schule noch nicht wirklich etwas zu tun habe, wurde mein Stundenplan etwas umgestellt - ich mache Englisch nun zusätzlich in einer 5. und 4. Klasse des Liceos, will heißen, in der 12./13. in Deutschland. In meiner 'eigenen' Klasse war es einfach viel zu einfach, und selbst jetzt sind die Italiener ungefähr auf dem Level von dem, was ich auf meinem Gymnasium in der 9. Klasse gelernt habe. In der Hinsicht bleibe ich also etwas unterfordert. Aber auf die Art lerne ich wieder viele neue Leute kennen, die mich alle freundlich aufnehmen. In anderen Fächern, in denen ich dem Unterricht wirklich nicht folgen kann, soll ich jetzt auf Italienisch immer eine Art kleines Tagebuch führen.


Entschuldigt, falls das alles etwas durcheinander ist - ich bin gerade erst zurückgekommen, und wie gesgt: meine Kopfschmerzen bringen mich in Verbindung mit einer beginnenden Erkältung wirklich ein wenig um. Das hier ist also mehr ein allgemeiner Infopost, damit ich nicht jedem einzeln nochmal alles erzählen muss.


Also damit, saluti e biaci,

Julie