Dienstag, 25. März 2014

Sicilia!

Tag 1
Jetzt bin ich leider schon wieder zurück von der Woche, auf die ich mich seit langem sehr gefreut hatte - meine Settimana di Scambio in Gela, Sizilien. Das Ganze ist eine Art Austausch im Austausch: mit etwas Glück bekommt man die Chance, eine Woche mit einer anderen Familie zu leben. Ich hab mir da (wie immer) erstmal ein wenig Sorgen gemacht - in welcher Stadt lande ich, wie wird die Familie sein, was machen wir da überhaupt, und oh Gott, wahrscheinlich verpasse ich mein Flugzeug sowieso. Aber alles war noch schöner, als ich es überhaupt hätte erwarten können. Meine „Familie“ bestand aus zwei Schwestern und einem Bruder, die mehr oder weniger mein Alter hatten und die Eltern. Hier in Turin wohne ich ja eher in der Vorstadt, während es sich dort im Süden beinahe nach heimischer Eifel angefühlt hat: viele Tiere, ein großer Garten und es dauert ewig, um zur nächsten Haltestelle zu kommen. Anfangs haben wir nicht allzu viel gemacht, da ich erst gegen Mittag angekommen bin. Das Erste war, wie schon erwartet - Essen. Und das ist dort noch um einiges leckerer als im Norden. Es wird viel frittiert und vor allem die Süßigkeiten liegen einem ein wenig schwer im Magen, aber das ist es auf jeden Fall wert. Mein persönlicher Favorit - Arancini. Was das ist, kann ich nicht mal gut beschreiben.  Reis mit Butter oder Ragout, umhüllt mit einer Art frittiertem Teig. Gegen Abend sind wir dann auch noch kurz an den Strand gegangen, aber sobald die Sonne weg und der Wind da ist, wird es ziemlich kalt - also sind wir nicht lange geblieben.



Tag 2
Schon am zweiten Tag ging es dann mit dem eigentlichen Programm los. Insgesamt waren wir 7 Austauschschüler: nach mir kamen die aus Amerika, Venezuela, Argentinien, China, Japan und Honduras. Die Gastgeschwister sind auch fast immer mitgekommen, und die hatten glücklicherweise alle mehr oder weniger unser Alter, somit haben wir uns alle sofort angefreundet (und jammern nun ununterbrochen herum, dass wir uns nicht mehr sehen können). Wir sind alle zusammen zu einem der örtlichen Licei gegangen, um uns persönlich und AFS als Organisation vorzustellen. Dasselbe Programm haben wir auch in allen anderen Schulen wiederholt - also ein bisschen langweilig, aber gegen die recht herrische Freiwillige die uns betreut hat, konnte man wenig einwenden. Wir wurden alle ein wenig angestarrt wie Tiere im Zoo. Die meisten Italiener, die ich dort im Süden getroffen habe, sind in ihrem Leben noch nicht viel gereist, haben teilweise Sizilien nie verlassen, deshalb waren wir dort noch ein wenig interessanter. Abends gings dann ins Kino: die Schöne und das Biest in Neuverfilmung. (Der hat mir persönlich übrigens nicht wirklich gefallen, aber jedem das Seine.) Direkt danach haben wir uns zum Essen mit Klassenkameraden der Gastgeschwister getroffen und haben den restlichen Abend, typisch italienisch, zusammen im Piazza verbracht.


Tag 3
Sonntags war dann unser einziger freier Tag, den wir gestalten konnten, wie wir wollten. Also haben wir erstmal mehr oder weniger ausgeschlafen und uns dann mit den anderen AFS-Leuten zum Frühstück getroffen. Das ist sehr sizilianisch ausgefallen - Cappuccino und maximal Brioche, also Kekse oder kleine Croissants. Danach ging es endlich richtig zum Strand - und oh Gott, hat mir das Meer gefehlt. Immer, wenn ich ihm nahe bin, fühle ich mich irgendwie Zuhause. Auch, wenn ich zu dem Zeitpunkt beinahe 2000km von Zuhause entfernt war. Zum Schwimmen gehen war es leider noch zu kalt, deshalb haben wir uns auf Volleyball spielen und Spaziergänge am Ufer und durch die Dünen beschränkt. Dabei sind wir sogar wirklich weit gelaufen und haben Muscheln gesammelt, aus denen wir uns am Ende jeder eine Kette gemacht haben. (Ja, wir sind kitschig.) Abends gings dann zum Markt, auf dem man reihenweise schlecht gefälschte Parfums kaufen kann - und nett wie ich bin, habe ich so viele wie möglich auf Freunden getestet. Das war eigentlich auch schon alles. Mit den anderen Kirchen besuchen haben wir uns an der Stelle gespart. Über die Anzahl von Kirchen in Italien wundere ich mich immer noch jedes Mal - allein im Zentrum von Gela gab es 5 verschiedenster Größe und Epoche.
Die "Villa" im Zentrum - bepflanzt und mit Ausblick aufs Meer.

Tag 4
Der Montag begann für mich wieder mit einer Präsentation im Liceo, diesmal war aber das Danach ein wenig anders. Eine Amerikanerin und Ich sind die einzigen Blondinen hier, und ich dachte schon, im Norden kriegt man dafür viel Aufmerksamkeit - das ist aber nichts verglichen mit dem, was dort abgegangen ist. Sobald wir auf den Pausenhof getreten sind, waren wir dauerhaft von mindestens 10 Personen umringt, die alle ein Foto mit uns machen wollten. So müssen sich Prominente ohne Bodyguards fühlen. Hinterher ging es ins Rathaus, um viele Hände wichtiger Personen zu schütteln und ein wenig zu erklären, wie es uns hier so ergeht. Das haben wir dann nochmal für die Kamera wiederholt - wo und wann das als Interview ausgestrahlt wurde, weiß ich aber bis heute nicht. Gela hat übrigens auch einen leider nicht so schönen Teil, der die Stadt groß gemacht hat: das riesige Werk von Agip, das direkt am Meer steht und groß, grau und stinkend die Landschaft verschandelt. Dort haben wir Mittag gegessen und danach über eine Stunde einem unglaublich langweiligen Vortrag zugehört - aber hey, ich kann euch jetzt einige nutzlose Fakten über Agip erzählen. Den Abend haben wir wieder alle zusammen im Piazza verbracht, auch, wenn es da recht kühl war.

Tag 5
Der Dienstag war einer der interessantesten Tage, was das Programm betrifft, wir haben den gesamten Tag nämlich außerhalb verbracht. Die Stadt hieß Agrigento, und dort gab es Überreste griechischer Zivilisation. Das alles inmitten eines wunderschönen gepflanzten Gartens, der so ziemlich auf einer der Hügelspitzen lag, sodass man auf einer Seite Aussicht über das Meer und auf der anderen über die gesamte atemberaubende Landschaft hatte. Zusammen mit zwei Schulklassen vom Liceo sind wir also dort und in zwei sehr kleinen Museen gewesen. Für den Tag sprechen Bilder wahrscheinlich mehr als Worte, also schließe ich hier schon damit ab.





Tag 6
Dieser Morgen begann wieder mit einem Schulbesuch - diesmal allerdings kein normales Liceo, sondern etwas, das sich „Alberghiero“ nennt und auf das auch meine Gastschwester dort geht. Dort wird man schon sehr spezifisch auf Berufe wie Hostess, Barkeeper und Koch vorbereitet, heißt, man kocht den halben Tag und den Rest lernt man Französisch und Englisch. Wir durften sogar in der Küche mithelfen - was genau wir da gekocht haben, weiß ich auch nicht, aber es sah nicht schlecht aus, wenn man bedenkt, dass ich normalerweise selbst für Pasta zu unfähig bin. Danach haben wir wieder die normale Präsentation gemacht, und das wars dort leider auch schon - wir durften nach Hause, weil für den Abend großes anstand (dachten wir zumindest). Wir haben einen Autobus nach Catania genommen, der geradezu lächerlich klein war. Dort sollten wir dann live im Fernsehen erscheinen, in einer Show, die „Insieme“ heißt und auf Sizilianisch gemacht wird. Genau dort lag aber leider das Problem - wir haben 4 Stunden Scherzen zugehört, die wir nicht verstehen konnten. Sizilianisch ist Italienisch etwa so ähnlich wie sehr starkes Bayrisch und Deutsch; für uns also wirklich zu schwer. Wir wurden auch nicht wirklich irgendetwas gefragt, sondern nur ganz kurz als Austauschschüler vorgestellt - alles in allem etwas enttäuschend dafür, dass wir über 3 Stunden dafür gefahren sind und gegen 2 Uhr morgens zurück in Gela waren.


Tag 7
Da wir alle von der Nacht noch todmüde waren, fiel der Besuch im Liceo morgens aus - stattdessen durften wir ausschlafen, bis wir vormittags kurz im Radio vorbeigeschaut haben, die dann auch bisher die nettesten Leute waren, und nicht nur die generischen Standardfragen gestellt haben. Nicht weit von der Station liegt das städtische Museum der Archäologie, was wider Erwarten wirklich interessant und geordnet war. Daran hat auch nochmal ein Garten angegrenzt, in dem wir schon am Vorabend schrecklich zerstochen wurden - die Mücken sind der größte Nachteil der Insel, finde ich. Abends sind wir alle zusammen erst Essen gegangen und haben uns dann in ein Café gesetzt. Je später es wurde, desto mehr haben wir alle gemerkt, dass es sich schon dem Abschied nährt. Für mich war das nicht derart dramatisch, weil ich ja problemlos in den Ferien zurückkehren kann - für jemanden aus Alaska wäre das schon schwieriger. Das ist damit dann also in einem großen Drama mit vielen Tränen geendet, in dem wir uns alle versprochen haben, uns irgendwie irgendwann irgendwo wiederzusehen. Und ich werde Gela ganz sicher nochmal besuchen, spätestens in meinen Sommerferien in 2015.

Tag 8
Der bestand eigentlich nur aus der Zurückreise - ich hatte die Tickets ein wenig unklug für morgens gebucht, weshalb ich schon um 8 den Bus zum Flughafen nehmen musste.
Auch, wenn nicht alles perfekt war und wir nicht allzu viel von der Insel gesehen habe, kann ich euch sagen - sie ist einen Besuch mehr als wert, falls ihr das noch nicht gemacht habt. Die Landschaften sind wunderschön, vor allem jetzt im Frühling, wenn es noch nicht zu heiß ist und alles gerade begonnen hat, zu blühen. Jede Kleinigkeit wirkt mehr wie aus einem Film oder aus einem guten Roman und scheint beinahe unwirklich. Selbst die verfallenen kleinen Häuschen in der hügligen Heide wirken nicht hässlich oder fehl am Platz, im Gegenteil. Der Weg von Catania nach Gela ist eines der hübschesten Dinge, die ich bisher in Italien gesehen habe, und das will wirklich etwas heißen.

Dann am Ende - entschuldigt mein Deutsch. Ich habe mittlerweile nur noch am Wochenende Kontakt mit Deutschen und habe deshalb innerlich alles sehr auf Italienisch umgestellt, sogar meine Gedanken und Träume. Damit fühle ich mich aber so wohl, dass ich das gar nicht ändern möchte.

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